Zwei Jahre nach der Hochzeit war ihr erstes Kind auf die Welt gekommen. Und mit einem Schlag war alles ganz anders. Die große Freiheit dahin. Die Nächte, die Tage ein Sorgen und Hegen. Mit einigem zeitlichen Abstand folgten die beiden anderen. Diese drei brachten Farbe und Leben ins Haus, das sie nun ihr eigen nennen konnten, doch sie waren – bei Gott – nicht gerade anspruchslos in ihrem Bedürfnis nach Zuwendung und Liebe.
Und so machte sich Ernüchterung breit im Leben von Giovanni. Der Alltag schien zu passen – zumindest für ihn. Er hatte seine Arbeit, sein Hobby, es gab manches zu tun im Haus und im Garten. Nur die Nächte waren fast nicht zu ertragen. Doch für sie war der Alltag ganz und gar nicht in Ordnung. Sie wünschte sich Unterstützung und Rückhalt im Haus, bei den Kindern. Und wenn sie dann kam und ihm klagte und vorwarf, wurde er kleinlaut und schweigsam und wusste nichts mehr zu sagen. Wie recht sie doch hatte! Was war er doch nur für ein selbstsüchtiges Würstchen!
Wir haben versucht
unsere Liebe
nüchtern
zu halten
frei von Kitsch
kein Schatzi-Mausi-Schnuckiputz
kein Morgenkuss mit Zuckerguss
kein Myrtenstrauß, kein rosa Herz
kein Liebeslied voll Herz und Schmerz
kein „Halte mich“ im Mondenschein
kein Candlelight, nur wir allein
Jetzt sind wir
ernüchtert
es fehlt uns der Rausch der Sinne
Selbst stumm geworden
fehlen uns die Lieder
die unsere Gefühle zur Sprache bringen
Wir haben keine Rituale
die uns jetzt halten könnten
nicht einmal einen täglichen Kuss
Wir haben dem Zufall
die Regie über unsere Liebe gelassen
Er ist ein lausiger Regisseur
Der Film wird durchfallen
Giovanni Vandani, Ernüchterung
aus: Spiele mir auf meiner Flöte (2021)